Wahrnehmung ist subjektiv
**1) ** **Inhalt**
** **
Abraham Portman, der
Großvater von Jacob, wird auf bestialische Art und Weise in einem
Waldstück hinter seinem Haus ermordet. Zu allem Überdruss findet ihn
sein eigener Enkel sterbend, der daraufhin einen Schock davonträgt.
Außerdem geht irgendetwas nicht mit rechten Dingen zu: Jacob sieht eine
eigenartige, grauenhafte Gestalt im Wald verschwinden. Eines der
Monster, von dem sein Großvater stets erzählt hat?
Abe
Portman berichtet seinem Enkel seit dessen Kindesbeinen von einer Insel,
auf der besondere Kinder leben sollen. Was Jacob anfangs als Märchen
abtut – Geschichten von fliegenden, unsichtbaren, unglaublich starken
oder anders begabten Kindern – entpuppt sich mehr und mehr als gar nicht
so erfunden, wie er gedacht hat. Zwar wird ihm während einer
psychologischen Behandlung von Dr. Golan eingetrichtert, dass er sich
das Monster im Wald nur eingebildet hat, dennoch geht Jacob der Sache
nach.
Gemeinsam mit seinem Vater besucht der Junge in den
folgenden Ferien eine Insel, auf der das Kinderhaus von damals steht.
Obwohl es sich um ein verfallenes Gebäude handelt, fühlt sich Jacob
unerklärlich angezogen von der Ruine und findet sogar alte Fotos –
solche, die ihm auch sein Großvater immer wieder als Beweis für seine
Geschichten vorgelegt hat. Und tatsächlich begegnen ihm plötzlich Kinder
in der längst nicht mehr bewohnten Stätte. Als er einem Mädchen
daraufhin durch das Moor folgt, landet er bei einer Steinformation,
durch die man hindurchkriechen kann – und da ergibt endlich alles einen
Sinn. Jacob landet tatsächlich auf der Insel der besonderen Kinder, nur
leben diese nicht im Heute, sondern im Jahr 1940 – in einer
Zeitschleife, die von der Kinderheimleiterin Miss Peregrine angelegt
worden ist.
Was Jacob zuerst nicht glauben kann, wird
mehr und mehr zur Realität. Die Kinder, von denen sein Großvater erzählt
hat, gibt es wirklich. Sie leben hier und verstecken sich in einer
Zeitschleife von den Monstern, die Jacobs Opa ebenfalls immer
beschrieben hat. Von der Leiterin erfährt der Junge, was hier eigentlich
los ist: dass es zwei verschiedene Entwicklungslinien der Menschen gibt
und dass eine davon mit diesen besonderen Fähigkeiten ausgestattet ist.
Da es allerdings böse Wesen gibt, die den Tod der Besonderen anstreben,
ist es notwendig, sich geschickt zu verstecken. Auch Jacob gehört zu
den besonderen Kindern – als der einzige dieser Gruppe kann er die
Monster sehen, während alle anderen nur den Schatten wahrnehmen können.
Unglücklicherweise
stellt sich heraus, dass Jacob unwissentlich dafür gesorgt hat, dass
die Zeitschleife seines Großvaters an die Monster verraten wird. Schon
seit geraumer Zeit ist der Junge von einem Begleiter dieser Monster
verfolgt worden – er kennt ihn als Psychologen Dr. Golan, allerdings
auch als Busfahrer aus seiner Schulzeit und als Nachbar seines
Großvaters. Dr. Golan hatte all dies schon lange geplant und Jacob
beobachtet, um eines Tages an das Versteck der besonderen Kinder
heranzukommen. Mit Jacobs Hilfe gelingt ihm das nun auch.
Die
Kinder jedoch wehren sich. Zwar wird Miss Peregrine entführt, kann
jedoch befreit werden. Unglücklicherweise ist sie nicht die einzige, die
in die Hände der Monster gerät – auch andere Leiterinnen von
Zeitschleifen werden gefangen genommen, ihr Schicksal ist ungewiss. Aus
diesem Grund entscheiden die besonderen Kinder, dass es an der Zeit ist,
ihr sicheres Versteck zu verlassen – sie beenden den 3. September 1940
und gehen hinaus in die Welt. Jacob lässt sein bisheriges Leben im 21.
Jahrhundert hinter sich, um sich seinem Volk anzuschließen.
**2) ** **Sprache / Stil**
** **
Die
direkte Rede beherrscht das Buch von Anfang bis zum Ende. Zu Beginn des
Werks sind es die Geschichten, die der Großvater seinem Enkel erzählt,
am Ende ist es die Geschichte selbst, die in direkter Rede von den
ProtagonistInnen erzählt wird. Dadurch gelingt es dem Autor auf eine
ganz besondere Art und Weise, ein stilistisches Meisterwerk zu schaffen.
Es ist nicht notwendig, viel durch Details des Erzähler-Ichs zu
erklären, alle notwendigen Fakten werden von den Hauptpersonen selbst
erzählt. So ist es auch Miss Peregrine, die Jacob und den LeserInnen
erklärt, was hier eigentlich vorgeht. Was Jacob nicht weiß, können auch
die LeserInnen nicht wissen.
Interessant ist außerdem, dass die
Kinder eigentlich nach wie vor im Jahr 1940 leben, während Jacob aus
einer weit entfernten Zukunft zu ihnen kommt. Obwohl das Leben hier für
ihn außergewöhnlich und neu ist, sind es seine Erzählungen für die
Kinder. Begierig saugen sie alles auf, was er ihnen von der fabelhaften
Zukunft, die für ihn ganz und gar nicht so magisch ist, erzählen kann.
Darunter fällt vor allem die Technik, von der die Kinder ihre ganz
eigenen futuristischen Vorstellungen haben. Umso begeisterter sind sie,
als Jacob ihnen sein Handy zeigt und außerdem erklärt, wie seine Welt
funktioniert. Der Autor hat es geschafft, all das sprachlich in direkte
Reden zu verpacken und die Diskrepanz zwischen beiden Lebensformen auf
diese Art und Weise deutlich zu machen.
**3) ** **Kritik**
Dem
Roman gelingt es geschickt, die LeserInnen zuerst völlig in die Irre zu
führen: Mehr und mehr geht man mit der Meinung des Psychologen Dr.
Golan konform, der Jacob einreden will, dass sich alles nur um eine
psychotische Einbildung handelt. Auch die Erklärung des Vaters,
Großvater Abrahams Monster seien in Wirklichkeit schlichtweg die Nazis,
erscheint plausibel. Umso mehr erstaunt es schließlich, dass es sich
ganz und gar nicht um eine Sinnestäuschung handelt. Tatsächlich gibt es
diese Insel und die Monster. Der Fantasy-Part lässt sich also
überraschender Weise doch noch genießen.
Besonders
interessant ist die Tatsache, dass der Roman durchgehend von Bildern
unterlegt wird. Darauf sind die Bewohner der Insel, jedoch auch andere
Personen in Form von Fotographien zu sehen, die für die Handlung der
Geschichte eine bedeutsame Rolle spielen und immer wieder auch in den
Text eingebunden werden. Das alles macht die Erzählung zu einer weit
spannenderen Geschichte, als es andere Vertreter des Fantasy-Genres sein
können.
Eigenartig erscheint allerdings die Tatsache,
dass es zwischen Jacob und dem Mädchen Emma, das in der Zeitschleife
lebt, zu einer romantischen Verbindung kommt, nachdem bereits darauf
hingewiesen worden ist, dass hier ein Altersunterschied von vielen
Jahrzehnten besteht. Außerdem hatte Emma bereits mit Jacobs Großvater
eine Beziehung, sodass Jacob zu Recht selbst behauptet, sie gäbe sich
nur aufgrund mangelnder Alternativen mit ihm ab. Erklärt wird diese
Tatsache dadurch, dass die Kinder der Zeitschleife zwar de facto alte
Seelen seien, aufgrund ihres Lebenswandels in eben dieser Schleife aber
auch im Geiste gewissermaßen Kinder bleiben.
Andere
durchaus reale Fragen von temporalen Anomalien und damit einhergehenden
Paradoxa sollen hier nicht näher behandelt werden. Es handelt sich um
einen Fantasy-Roman, der aufgrund des Genres das Recht dazu hat, gewisse
physikalische Gesetzmäßigkeiten nach eigener Nützlichkeit für sich
auszulegen und umzuändern.
**4) ** **Empfehlung**
** **
Das
Buch hört leider mitten in der Handlung auf – der Sieg des Guten über
die bösen Monster hat noch nicht stattgefunden, und auch andere Punkte
der Handlung sind noch nicht restlos aufgeklärt worden. Diese Tatsache
jedoch macht es plausibel, dass es sich um einen Zwei- oder Mehrteiler
handelt. Man darf also gespannt sein, was der nächste Band der
Geschichte bringen wird.
Die Handlung ist von Anfang bis Ende so
spannend, dass die Fortsetzungsgeschichte von den LeserInnen des ersten
Teils geradezu mit Spannung erwartet werden muss – da die Handlung noch
kein Ende gefunden hat, ist es ein Muss, den nächsten Teil zu lesen. Vor
allem für Personen, die Fantasy mögen, ist der Roman zudem besonders
geeignet, und diese Einschätzung wird durch die oben genannten
Fotographien nur noch untermauert. Man darf auf jeden Fall gespannt
sein, was die Zukunft bereithält – für die LeserInnen UND für die
besonderen Kinder.
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