Samstag, 11. November 2017

Rezension: Anthony Horowitz - Das Geheminis des weißen Bandes

Würdige Rückkehr eines grandiosen Ermittlers

**1)    ** **Inhalt**



Dr. Watson, Sherlock Holmes’ ständiger Begleiter, lebt am Ende des 19. Jahrhunderts relativ verarmt und einigermaßen vereinsamt, was unter anderem mit seinem schlechten Gesundheitszustand zusammenhängt. Sein guter Freund Sherlock Holmes ist schon vor langem gestorben, und so erinnert sich Watson wehmütig ein letztes Mal zurück an einen ihrer abstoßensten Fälle.

Die Handlung zieht sich über mehrere Monate des Jahres 1890 – Watson besucht Holmes in London, weil seine Frau verreist ist, und wird justament in den nächsten Fall geschleudert: Ein elegant gekleideter Londoner – Mr. Carstairs, ein Kunsthändler – sucht Holmes auf, um ihn um Hilfe zu bitten. Gerade erst aus Amerika zurückgekehrt, befürchtet er aufgrund dortiger und hiesiger Vorkommnisse, dass er beobachtet wird und in Lebensgefahr schwebt. Holmes steigt in die Ermittlungen ein – und Watson natürlich mit ihm.

Was anfangs als völlig klarer Fall erscheint, dessen Lösung schon auf S. 81 zu finden gewesen wäre, entpuppt sich nach und nach als überaus verschachtelte Angelegenheit, im Zuge derer Holmes selbst in Lebensgefahr gerät, des Mordes bezichtigt und letzten Endes sogar angeklagt wird. Alles nur, weil er nach dem mysteriösen „House of Silk“ sucht, dessen dubiose Existenz durch ein weißes Seidenband bewiesen wird, das am Handgelenk eines ermordeten Straßenkindes gefunden wird. Holmes selbst erhält wenig später ein ebensolches Band als Warnung, die er trotz der eindringlichen Bitte seines Bruders Mycroft in den Wind schlägt.

Wie aber hängen all diese seltsamen Ereignisse und Ermittlungsansätze zusammen? Es gibt nur eine einzige mögliche Verbindung: das House of Silk. Was aber hat es damit auf sich? Wird Holmes die Zusammenhänge aufdecken können?



**2)    ** **Analyse**



Es ist offensichtlich, dass Anthony Horowitz in der Vorbereitung seines Werk sehr genau recherchiert hat, wie das Leben in London zu dieser Zeit gewesen sein muss. Auch geht aus seinem stilistischen Geschick eindeutig hervor, dass er sich in der Sherlock Holmes-Literatur des Sir Arthur Conan Doyle umfassend auskennt. So ist es auch nicht verwunderlich, dass er den Ton des Dr. Watson durchgehend überaus gekonnt trifft und es den LeserInnen so ermöglicht, sich tatsächlich voll und ganz in das Umfeld der Protagonisten einzufühlen.



**3)    ** **Kritik**



Über die Übersetzung des Buches gibt es Positives und Negatives zu sagen. Einerseits ist es bemerkenswert, wie präzise  auch der Übersetzer den Ton von Dr. Watson von Anfang an trifft. Es ist offensichtlich, dass sich auch dieser umfangreich in die Materie eingearbeitet hat. Andererseits ist der Roman von zahlreichen Rechtschreib- und Grammatikfehlern durchzogen, beispielsweise:



            _Der Diogenes Club war eine der kleineren Clubs an der Pall Mall. (S. 146)_

_            Das alles war zügig vonstattengegangen. (S. 189)_



Diese Tatsache stellt allerdings den einzigen Mangel des ansonsten sehr ansprechenden Werks dar. Abgesehen davon bemüht sich der Autor das eine oder andere Mal um eine amüsante Darstellung und Wortwahl, was das gesamte Werkt deutlich auflockert:



_Ich hatte die Antwort zu einer Frage erhalten, die Holmes mir vor Wochen gestellt hatte. Jetzt musste ich nur noch herausfinden, warum sie ihn interessierte. (S. 222)_



Weiters ist zu sagen, dass der Titel für die deutsche Fassung zwar akzeptabel gewählt worden ist, eine Annäherung an das englische Original („The House of Silk“) käme dem Inhalt allerdings dennoch näher, da auch in der deutschen Übersetzung weniger das weiße Band eine Rolle spielt als das House of Silk selbst.



Interessant war für mich persönlich, endlich mehr Hintergründe zu Holmes’ Familie zu erfahren. Das macht den Roman familiärer und zeigt außerdem das große Abhängigkeitsverhältnis zwischen Holmes und Watson, der sich selbst ohne Holmes als unvollständigen Menschen erkennt, sehr deutlich. Dadurch werden die Protagonisten noch menschlicher, als sie der Autor ohnehin schon zeichnet, und erlauben es, dass man sich mit ihnen besonders identifiziert.



Außerdem ist es durchgängig beeindruckend anzusehen, welche verstrickten Kriminalgeschichten Horowitz hier erfindet und einbaut. Das beweist seine große schriftstellerische Fähigkeit besonders, handelt es sich doch um originelle Ideen, hinter die der laienhafte Leser nicht so schnell kommt.



**4)    ** **Empfehlung**



Wer den Beweis haben möchte, dass nicht nur Sir Arthur Conan Doyle über ein unglaubliches schriftstellerisches Talent verfügt hat, ist bei diesem Buch genau richtig. Man kann sich von Anfang an in die Zeit und die Personen hineinversetzen und findet sich haargenau in Doyles London wieder. Sherlock Holmes  ist nach wie vor brillant – ob seine Geschichten nun vom Original oder seinem eifrigsten Kenner verfasst werden!

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